Mondscheinsonate von Beethoven (moonlight sonata): “Über Gefühle, die nur die Musik kennt”

Mondscheinsonate von Beethoven (moonlight sonata): “Über Gefühle, die nur die Musik kennt”

(if you like, there is an article of the moonlight sonata in ENGLISCH)

mondscheinsonate moonlight sonataEs gibt diese Musikstücke, die man einmal hört, und nie wieder vergisst.
Eines der wohl schönsten Beispiele dafür ist für mich die Mondscheinsonate des großen Ludwig von Beethoven. Sie hat viele Namen: Der technische lautet „Sonate Nr. 14 in cis-Moll“, der originale Untertitel lautet „Sonata quasi una Fantasia“, was übersetzt etwa „Sonate in der Art einer Fantasie“ bedeutet. Den bekannten Namen „Mondscheinsonate“ bekam das Werk erst 30 Jahre später durch einen Dichter, den es an eine Bootsfahrt im Mondschein erinnert hatte. Als ich anfing, diese einmalige Komposition einzustudieren, war mir die Herausforderung gut bewusst: Selbst Franz Liszt, einer der größten Klaviervirtuosen aller Zeiten, hatte seinen teils hervorragenden Schülern nie erlaubt, die Mondscheinsonate zu spielen – weil er sie für zu schwierig hielt und für zu perfekt, als dass sie schlecht gespielt wird. Beethoven wird ja nachgesagt, er habe die Musik damals von der Klassik in die Romantik geführt. In eine Zeit, in der das Gefühlvolle ganz oben steht, von Leidenschaft, über Schaurigem, bis hin zum tiefsten menschlichen Schmerz wird alles thematisiert. Das macht die Mondscheinsonate geschichtlich noch ein bisschen bedeutender, denn obwohl das Werk zeitlich aus der Klassik stammt, wird es wegen seines Charakters oft schon eher der Romantik zugeordnet.

Ein Wechselbad der Gefühle

Das Hauptmotiv der Mondscheinsonate ist so unglaublich einfach, so unheimlich genial: Sechs Mal wird die gleiche Taste angeschlagen. Die linke Hand kreiert nebenbei einen Teppich, der diese vor Melancholie und Schmerz stöhnende Melodie weich einbettet. Beethoven drückt mit der Musik Gefühle aus, die mit Worten wohl nicht zu beschreiben sind. Es ist eine Kombination aus größter Wehklage und gleichzeitig eine schwermütige Art von Schönheit. Während ich dieses Andagio Sostenuto spiele, verstehe ich langsam Beethovens Originaltitel. Ich gerate selbst in eine Fantasie, und während ich in den Sog dieser tristen Sorge gezogen werde, könnte ich gleichzeitig nicht entzückter sein von der Schönheit der Melancholie. Die kurzen Auflösungen in Dur fühlen sich an wie kleine Hoffnungsschimmer, doch immer wieder drängt das Traurige in den Vordergrund, hält das Schwermütige mich gefangen. Der zweite Satz verdutzt. Gerade war ich noch wie paralysiert von der Melancholie, doch jetzt kommt eine hoffnungsvollere, schon fast fröhliche Stimmung auf. Franz Liszt hat diesen Teil als „eine Blume zwischen zwei Abgründen“ bezeichnet, besser lässt er sich wohl kaum beschreiben. Doch er ist kurz.

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Das Presto Agitado, der dritte und letzte Satz, beginnt in einem derart hohen Tempo, dass ich durch den turbulenten Ritt aus meiner eben eingerichteten, nachdenklichen Gefühlswelt geradezu herausgeschleudert werde. Es kommt mir vor, als hätte sich die Melancholie aus dem ersten Satz in eine tosende, kaum zähmbare Sehnsucht verwandelt. Immer wieder baut sie sich auf, doch der Höhepunkt ist noch nicht erreicht, völlig frenetisch und schon fast wie in Ekstase jagt sie von einem Gefühlshoch zum Nächsten. Diese Emotionen treiben mich nur noch mehr an, bis mein Geist irgendwann irgendwo zwischen höchster Glückseligkeit und einem seltsamen Zweifel gefangen ist.

Beethovens Erbe

Welche Gefühle muss Beethoven durchlebt haben, um so zu komponieren? Als er die Mondscheinsonate 1801 veröffentlicht, verschlechtert sich sein Gehör schon seit drei Jahren scheinbar unaufhaltsam. Beethoven weiß, dass er es früher oder später komplett verlieren wird. Was muss das mit einem Menschen machen, der nur für die Musik lebt? Wenn er plötzlich seine eigenen Werke nicht mehr hören kann, wenn er machtlos zusehen muss, wie die für ihn wichtigste Wahrnehmung immer mehr verschwindet?

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Doch das Gehör ist nicht das einzige, mit dem Beethoven zu kämpfen hat. Er verliebt sich oft. 1801 ist es die Gräfin Giulietta Guicciardi, eine seiner Klavierschülerinnen. Aber er weiß, dass die Liebe unrealistisch ist, denn die Gräfin ist bereits verlobt und auch der Standesunterschied macht eine Beziehung in der damaligen Zeit undenkbar. Doch widmet er ihr die Mondscheinsonate. Mit seinem Werk lässt er uns an seinen Emotionen teilhaben. Und für mich ist einmal mehr klar, woher meine Leidenschaft für die Musik kommt: Sie lässt uns Gefühle ausdrücken, die anders nicht auszudrücken sind.


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